Rechtstipps Nachbarrecht

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Beratungs und Vertretungsbereiche

Grundstücksbeeinträchtigung und Immissionen

Immissionen, Emissionen, schädliche Anlagen, Entziehung von Licht, Erschütterung, Stützmauern, Bäume und Pflanzen, Überstand, Anries und Wasserablauf

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    Die Grundstücksbeeinträchtigung im Nachbarrecht kann man in zwei Konfliktbereiche einteilen: Auf der einen Seite gibt es die sogenannten Immissionen, also Einwirkungen, die durch die Nutzung des Nachbargrundstücks entstehen, wie zum Beispiel Verschattung, Gerüche oder Lärm, siehe Art. 684 ZGB.

     


    Auf der anderen Seite stehen Einwirkungen auf den Grund und Boden selbst, als unmittelbare Folgen etwa von Grabungen, Erschütterungen, Wasserablauf oder Pflanzenüberstand, siehe Art. 686 ff. ZGB und die kantonalen Vorschriften.



    In der anwaltlichen Praxis unterscheiden sich diese beiden Bereiche des Grundstücksnachbarrechts deutlich, insbesondere wenn die Abwehransprüche gegen den Nachbarn auch gerichtlich durchgesetzt werden sollen.



    Für das Mandat bei Einwirkung durch Immissionen vom Nachbargrundstück steht die Beschaffung der notwendigen Beweise im Mittelpunkt. Denn die Einwirkung auf das Grundstück muss von einer übermässigen Intensität sein, und zwar aus der Sicht eines durchschnittlichen Menschen und unter Berücksichtigung des Ortsgebrauchs. Nur dann besteht eine Klagemöglichkeit nach Art. 679 ZGB, und dem Nachbarn (auch Pächtern/Mietern) können bei der Grundstücksnutzung durch Gerichtsurteil Einschränkungen auferlegt werden.



    Für die Beweisbeschaffung bei Lärm ist zum Beispiel eine grobe Messung mit der Natel-App ein erster Ansatz. Als Beweisgrundlage für ein Klageverfahren dürfte das aber nicht ausreichen. Gerade bei dauerhaften Immissionen müssen aufwendige 24-Stunden-Lärmmessungen durchgeführt oder Lärmprotokolle geführt werden.


     

    Ähnliche Schwierigkeiten gibt es zum Beispiel bei Staubemissionen, Hundegebell und störendem Lärm von Betrieben. Besonders problematisch ist dabei der Einsatz von Überwachungskameras oder Videoaufnahmen zur Beweissicherung. In der Regel dürften Geräusch- und Tonprotokolle für den Beweis von Immissionen ausreichen. Die Angabe von Zeugen und entsprechende Protokolle sind natürlich möglich.


     


    Spezielle Beweisprobleme ergeben sich auch durch Immissionen bei Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück. Der Begriff Nachbargrundstück bedeutet übrigens nicht, dass das Immissionen verursachende Grundstück unmittelbar an das eigene Grundstück angrenzen muss. Ein bausachverständiges Gutachten wird man meist nicht vermeiden können, insbesondere wenn die eigene Bausubstanz betroffen ist oder das Erdreich auf dem eigenen Grundstück destabilisiert wird. Ein solches Gutachten ist dann auch für eine möglicherweise notwendige Schadensersatzklage verwendbar, wenn bereits Schäden auf dem Grundstück entstanden sind.


     

    Im Grundsatz sind in diesen Fällen auch Präventivklagen möglich – oder Unterlassungsklagen, wenn die Immissionen sich zu wiederholen drohen oder unmittelbar bevorstehen. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Ansprüche der übermässigen Immissionen verjähren können, Art. 60 Abs. 1 OR.


     

    Die Ansprüche aus dem Eigentum an der Liegenschaft selbst sind Eigentumsfreiheitsklagen, Art. 641 ZGB bzw. Klagen auf Besitzstörung, Art. 928 ZGB. Das heisst, es liegt ein unmittelbarer Eingriff in das Grundstückseigentum bzw. in den Besitz durch den Nachbarn vor.


     

    Diese Abwehrmöglichkeiten der Eigentumsfreiheitsklage verjähren nicht, weil das Eigentum im Grundsatz immer vor fremden Eingriffen geschützt ist. Anders ist es bei der Klage auf Besitzstörung. Eingriffe in den Besitz aus verbotener Eigenmacht unterliegen der Verjährung von einem Jahr.


     

    Klassische Beispiele für Eigentumsfreiheitsklagen: Der Nachbar nutzt Teile des eigenen Grundstücks mit einem Gebäude (Überbau); es wird bei Bauarbeiten eine Grenzeinrichtung beschädigt oder zerstört; Früchte von überragenden Ästen müssen geerntet oder eindringende Wurzeln gekappt werden. Zu diesen Ansprüchen aus dem Grundstückseigentum gehören auch die Verletzung der Abstandsflächen bei nachbarlichen Pflanzungen und Bäumen sowie der baulichen Abstandsflächen.


    Für das gesamte auf das Eigentum bezogene Nachbarrecht besteht der Vorbehalt der kantonalen Regelung. Das bedeutet: Wenn es kantonale Regelungen zum Nachbarrecht gibt ‒ ob im Zivilrecht (meist im Einführungsgesetz des ZGB der Kantone) oder auch im öffentlich-rechtlichen Baurecht (u.a. in den Raumplanungsgesetzen), gehen diese Regelungen vor. Auch mögliche dortige Verjährungsfristen oder Fristen der Verwirkung haben Vorrang.


     

    Was zunächst einfach scheint, etwa das Kappungsrecht bei Ästen und Wurzeln, ist in der Praxis doch ein aufwendigeres Verfahren. Konkret muss der Nachbar angeschrieben werden, die Art und Weise der Kappung geklärt und möglichst eine einvernehmliche Regelung gefunden werden. Auch können kantonale Strassengesetze zu beachten sein oder es ist auf besonders geschützte Pflanzenarten Rücksicht zu nehmen.


     

    Wie sich aus dieser komplizierten Rechtslage mit Bundesrecht und kantonalem Recht, öffentlichem und privatem Recht ergibt, ist der anwaltliche Beratungsbedarf bei diesen Nachbarstreitigkeiten relativ hoch, auch wenn häufig der wirtschaftliche Wert der Grundstücksbeeinträchtigung schwer zu bemessen ist.

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Wegerechte

Grunddienstbarkeit, Geh-, Fahr- und Leitungsrecht, Notweg, kantonale Wegerechte, Durchleitungsrecht

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    Die geläufigste Form, Wegerechte über Nachbargrundstücke zu sichern, ist die Eintragung einer Dienstbarkeit im Grundbuch (siehe dazu auch meinen Rechtstipp „Dienstbarkeiten“).


     


    Den genauen Verlauf des Wegerechts auf dem belasteten Grundstück findet man im entsprechenden Grundbucheintrag. Die örtliche Lage ist im Rechtsgrundnachweis zwar umschrieben, den genauen Verlauf jedoch zeigt die massstabsgetreue Planbeilage. Dieser Plan ist auch Teil des Grundbuchs und gilt als Flächennachweis bei Eigentümerwechsel.


     


    Bei der Vereinbarung eines Dienstbarkeitsvertrags über ein Wegerecht ist daher eine massstabsgetreue Karte mit dem Verlauf des Weges beim Grundbuchamt einzureichen. Ein Plan eines Geometers wird empfohlen.


     


    Gibt es Streit über den Verlauf des Weges, weil der Plan unterschiedlich interpretiert wird, gilt im Zweifel die bisherige einvernehmliche Nutzung, Art. 738 ZGB.


     


    Ein weiterer Streitpunkt bei Wegerechten, die als Dienstbarkeiten im Grundbuch eingetragen sind, ergibt sich bei Änderung der Nutzung des begünstigten Grundstücks. Nach Art. 739 ZGB kommt es darauf an, ob die Nutzungsänderung zu einer Mehrbelastung des belasteten Grundstücks führt. Diese Regelung scheint auf den ersten Blick eine Nutzungserweiterung des Wegerechts auszuschliessen. Jedoch geht die Rechtsprechung des Bundesgerichts dahin, dass im Rahmen des ursprünglich vereinbarten Nutzungszwecks des Weges eine Nutzungserweiterung zu dulden ist, wenn sie sich aus der technologischen und wirtschaftlichen Fortentwicklung ergibt.


     


    Rechtlich gesehen, können Wegerechte auch mit einem Dienstbarkeitsvertrag ohne Eintragung im Grundbuch vereinbart werden, die notarielle Beurkundung wird also umgangen. Jedoch hat das zur Folge, dass bei Eigentümerwechsel diese Wegerechte erlöschen. Werden Wegerechte über Jahre hin ausgeübt, ohne dass es zu einem Dienstbarkeitsvertrag gekommen ist, sind diese Wegerechte sofort kündbar, es gibt dafür kein Gewohnheitsrecht.


     


    Eine rechtliche Besonderheit stellt das sogenannte Notwegerecht dar. Es ist in Art. 694 ZGB geregelt und verschafft dem Grundstück mit einem ungenügenden Zugang zur öffentlichen Strasse ein ins Grundbuch einzutragendes Wegerecht. Diese Wegnot kann einvernehmlich mit einem Dienstbarkeitsvertrag geregelt werden, der die Eintragung ins Grundbuch vorsieht. Wenn eine vertragliche Einigung nicht möglich ist, kann Klage erhoben werden. Mit dem Urteil kann das Wegerecht direkt ins Grundbuch eingetragen werden, wobei es erst mit der Eintragung ins Grundbuch entsteht.


     


    Typische Streitpunkte bei den Notwegen sind die Fragen, wer der verpflichtete Nachbar ist, wie die Linienführung des Weges festgelegt werden kann und in welchem Umfang das Wegerecht entsteht. Hierzu gibt es keine besonderen gesetzlichen Vorgaben, sondern es werden die Grundsätze für die Dienstbarkeiten herangezogen, Art. 730 ff. ZGB. Die Erfolgsaussicht für die Durchsetzung von Notwegerechten ist daher relativ schwierig zu beurteilen.


     


    Oft wird bei den Notwegeprozessen übersehen, dass im Rechtsbegehren der Klage die Einräumung des Notwegerechts nur gegen Zahlung einer Entschädigung verlangt werden kann, sonst wird sie abgewiesen, Art. 694 Abs. 1 ZGB.


     


    Eine Besonderheit stellt das sogenannte Durchleitungsrecht nach den Art. 691, 692 und 693 ZGB dar. Dieses Recht gilt für Leitungen aller Art, also Wasserleitungen, Elektroleitungen, Drainageröhren usw. Es ist ein zivilrechtliches Notleitungsrecht, also ähnlich wie der Notweg, ist es nur begründet, wenn eine Notlage des Grundstücks bei fehlendem Leitungsrechte besteht. Der Rechtsbegriff der Durchleitung umfasst unterirdische und überirdische Durchleitung als auch die diskutierten oberirdischen Stromleitungen.


     


    Besonderes gilt für Transitleitungen des Kantons oder des Bundes. Nach Art. 691 Abs. 2 ZGB handelt es sich um eine Enteignung nach den Enteignungsgesetzen, wenn in den entsprechenden Verordnungen oder Gesetzen des Kantons oder des Bundes ausdrücklich eine Enteignung der Grundstückseigentümer vorgesehen ist (siehe dazu meinen Rechtstipp „Nachbarrechtliche Enteignungen“).


     


    Liegt solch eine ausdrücklich gesetzliche Enteignungsmöglichkeit nicht vor, kann ein entsprechendes Durchleitungsrecht nur zivilrechtlich nach Art. 691, 692 und 693 ZGB als Notleitungsrecht durchgesetzt werden. Ein sogenannter Notfall kann auch vorliegen, wenn die Verlegung der Leitungen anderweitig nur mit unverhältnismässigen Kosten möglich ist. Wie dabei die unverhältnismässigen Kosten zu berechnen sind, wird kontrovers diskutiert. Die Tendenz geht dahin, das Notrecht zulasten der Grundstückseigentümer auszudehnen.


     


    Bei den Wege- und Leitungsrechten sind in der Regel Entschädigungen an den Grundstückseigentümer zu zahlen, dessen Grundstück belastet wird. Meist wird auch vertraglich vereinbart, dass die Wege- oder Leitungsnutzer die Kosten für den Ausbau und die Instandhaltung tragen. Entsprechendes gilt für der Gefahr (Haftung) für die Nutzung, besonders wenn die Nutzung durch mehrere Nutzer erfolgt.

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Dienstbarkeiten

Dienstbarkeiten, Servitutenprotokolle, Ablösung und Beeinträchtigungen von Dienstbarkeiten, schonende Ausübung

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    Durch eine Dienstbarkeit kann zwischen zwei Grundstückseigentümern vereinbart, dass die Eigentumsrechte des einen Grundstücks beschränkt werden, während die Eigentumsrechte des anderen Grundstücks dadurch erweitert sind. Auf dem mit einer Dienstbarkeit belasteten Grundstück kann beispielsweise eine Beschränkung durch ein Bauverbot vereinbart sein. Umgekehrt können dem begünstigten Grundstück auf dem belasteten Grundstück Nutzungsrechte eingeräumt sein, beispielsweise Wegerechte. Auch ist es möglich zu vereinbaren, dass die Nutzungsmöglichkeiten nur für bestimmte Personen gelten.


     


    Der Vertrag zwischen den Grundstückseigentümern muss notariell beurkundet und die Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen werden. Für die Rechtspraxis hat die Eintragung in das Grundbuch deutliche Konsequenzen. Die Eintragung im Grundbuchblatt erfolgt stichwortartig, der vollständige Wortlaut der Dienstbarkeit wird je nach Kanton im Servitutenprotokoll niedergelegt. Wird das Grundstück verkauft oder übertragen, gehen Dienstbarkeiten automatisch auf den neuen Eigentümer über, auch wenn er diese nicht kennt. Ansprüche aus den Dienstbarkeiten können nicht verjähren.


     


    In der Praxis hat dies zur Folge, dass viele Dienstbarkeiten älteren Datums sind und sich aber die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse bei den Grundstücken geändert haben. Hier sieht das Zivilgesetzbuch verschiedene Möglichkeiten vor, Dienstbarkeiten ändern oder löschen zu lassen, Art. 730 ff. ZGB, Art. 736 und 739 ZGB.


     


    In diesem Bereich liegen die Schwerpunkte der Rechtsstreitigkeiten, weil die Dienstbarkeiten meist eine erhebliche Bedeutung für den Wert des Grundstücks haben. Möglich sind hier Klagen auf Feststellung oder auf Grundbuchberichtigung. Der Grundstückseigentümer, zu dessen Gunsten entschieden werden soll, trägt die Beweislast, dass die Dienstbarkeit geändert oder gelöscht werden muss. Weil die Dienstbarkeitsvereinbarungen meist schon Jahre oder Jahrzehnte zurückliegen, entbrennt in diesen Rechtsstreitigkeiten die Frage, was der ursprünglich Inhalt der Dienstbarkeit war und ob dieser Inhalt noch mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt oder die Nutzung aufgegeben wurde. Zu diesem Rechtskomplex existiert eine umfangreiche Rechtsprechung des Bundesgerichts, trotzdem bleiben die Rechtslagen unübersichtlich. Vielfach sind umfangreiche historische Recherchen notwendig mit einem entsprechenden Sachvortrag im Klageverfahren.


     


    Klassische nachbarrechtliche Ansprüche sind die Abwehransprüche aus den Dienstbarkeiten – wenn etwa der Grundstückseigentümer die gestattete Nutzung der Dienstbarkeit behindert oder beschränkt oder wenn der Dienstbarkeitsberechtigte die Nutzungsrechte missbraucht oder über das vereinbarte Mass hinaus anwendet. Hier wird in der Regel eine Unterlassungsklage notwendig. Kern dieser Rechtsstreitigkeiten ist ebenfalls die Frage, wie der Inhalt der Dienstbarkeit auszulegen ist, also wo die Grenzen der Nutzung liegen.


     


    Sollte die Dienstbarkeit ‒ zum Beispiel bei einem Wegerecht ‒ im Rahmen von besonderen Anlässen, wie Bauarbeiten, genutzt werden, so greift Art. 695 ZGB mit den entsprechenden kantonalen Regelungen ein. Es handelt sich um das sogenannte Hammerschlags- und Leiterrecht, das inhaltlich mit den Rechten aus der Dienstbarkeit nichts zu tun hat.


     


    Die Bestellung einer Dienstbarkeit und den Unterhalt der dortigen Vorrichtung hat der Eigentümer des begünstigten Grundstücks zu tragen, Art. 741 ZGB. Bei mehreren Grundstücksbeteiligten ist es sinnvoll, eine Nutzungsvereinbarung oder -verordnung zwischen den Parteien abzuschliessen bzw. durch den Richter diese Vereinbarung festlegen zu lassen, Art. 741a ZGB.


     


    Lesen Sie dazu auch meinen Rechtstipp zum Wegerecht.

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Grenzstreitigkeiten

Vermessung, Vermessungsfehler, Grenzzeichen, Grundbuchplan, Grenzscheidungsklage, Grenzfeststellungsklage, Grenzvorrichtungen

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    Für eine Reihe von nachbarrechtlichen Streitigkeiten ist die genaue Kenntnis der Grenzlinie vor Ort sehr wichtig. Das gilt zum Beispiel für den Verlauf der Einfriedung, die rechtliche Einordnung von Grenzvorrichtungen wie Scheidemauern, die Verantwortung für Stützmauern, Bäume und Sträucher und auch für Gebäudeabstandsflächen.


     


    Entscheidend für den Verlauf der Grenzlinie ist der sogenannte Grundbuchplan: die grafische Darstellung der durch die Vermessung erlangten Grunddaten. Entsprechend Art. 668 Abs. 2 ZGB gilt für den Grundbuchplan die Vermutung der Richtigkeit. Gibt es einen Unterschied zwischen den Grenzzeichen vor Ort und der im Grundbuchplan verzeichneten Grenzlinie, so geht Letztere vor. Mit anderen Worten: Die Grenzzeichen vor Ort markieren nicht verbindlich die Grundstücksgrenzen. Sicher ist der Grenzverlauf nur, wenn man in den Grundbuchplan eingesehen hat.


     


    Gegen die Eintragung im Grundbuchplan können nur Vermessungsfehler geltend gemacht werden. Wie diese Fehler aussehen können, ergibt sich aus den aktuellen Vermessungsverfahren.


     


    Bei der Vermessung hat der Geometer die Wahl zwischen den möglichen Vermessungsmethoden. Mittlerweile hat sich aus wirtschaftlichen und Genauigkeitsgründen das satellitengestützte GNSS-Verfahren durchgesetzt. Trigonometrische Messungen und andere ältere Verfahren werden nur noch hilfsweise hinzugenommen, zum Beispiel in Innenstädten, wo der Empfang über Satelliten eingeschränkt ist.


     


    Die Neuvermessung mit dem GNSS-Verfahren kann daher einen leicht veränderten Grenzverlauf anzeigen, vor allem wenn die letzte Vermessung schon weit zurückliegt. Vermessungsfehler können nur dadurch entstehen, dass bei der Kombination der möglichen Vermessungsmethoden einseitig gewertet oder die gemessenen Grunddaten fehlerhaft in den Plan übertragen wurden. Bei Grenzstreitigkeiten eine fehlerhafte Vermessung nachzuweisen, ist daher schwierig, sofern der Fehler nicht offensichtlich erkennbar ist.


     


    Ist der Grenzverlauf vor Ort unklar, kann er anhand der Grunddaten und des Grundbuchplans neu durch Grenzzeichen vermarkt und visualisiert werden.


     


    Ist die Grenze ungewiss, also der Grenzverlauf unklar, sind die jeweiligen Grundstückseigentümer verpflichtet, an der Feststellung der rechtlich verbindlichen Grenzen mitzuwirken, Art. 669 ZGB. Gemeint ist mit dieser Regelung die Mitwirkungspflicht bei unbestrittenem Grenzverlauf. Es fehlen jedoch die Grenzzeichen, sie sind unkenntlich oder verloren gegangen, oder der Grundbuchplan ist anzupassen. Verweigert der Nachbar die Mitwirkung kann Abgrenzungsklage erhoben werden. Wird die Anpassung des Grundbuchplans gefordert, ist die Grundbuchberichtigungsklage zu erheben. (Zur Grundbuchberichtigungsklage siehe meinen Rechtstipp Grundbuchrecht)


     


    Ungewiss ist der Grenzverlauf auch, wenn keiner der beiden Nachbarn beweisen kann, wo die Grenze verläuft. Entsprechend der Regelung des Art. 669 ZGB kann dann die Grenzscheidungsklage erhoben werden, wenn eine einvernehmliche Regelung zwischen den Nachbarn nicht möglich ist. Mit dem Grenzscheidungsurteil legt das Gericht den genauen Verlauf der Grenze fest. Dieser Grenzverlauf ist auch in den Grundbuchplan zu übernehmen.


     


    Eine Grenzfeststellungsklage kann ein Nachbar erheben, wenn er meint, er wisse, wo die Grenze verlaufe, und Teile seines Grundstücks würden vom Nachbarn genutzt, die dieser zu räumen habe.


     


    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts können die Grenzscheidungsklage und die Grenzfeststellungsklage kombiniert werden.


     


    Die Vermarkung durch Grenzzeichen kann dann schwierig sein, wenn Grundstücksteile an der Grenze bebaut oder zum Beispiel mit Hecken bepflanzt sind. Dann wird nach Art. 670 ZGB eine Grenzeinrichtung vermutet, das heisst diese privaten Grenzvorrichtungen stehen im Miteigentum des Nachbarn. Bei der Grenzfeststellung gehen die amtlichen Vermessungen dann davon aus, dass die Grenze in der Mitte des Miteigentums verläuft. Bei einer Brand- oder Stützmauer beispielsweise wird vermutet, dass die Grenze in der Mitte der Mauer liegt.


     


    Handelt es sich jedoch um einen Bau, der vom Nachbargrundstück auf das eigene Grundstück überragt, sog. Überbau oder überragender Bau, Art. 674 ZGB, gilt diese Vermutung des Grenzverlaufs nicht. Die Grenze verläuft durch den Bau hindurch, der überragende Bau bleibt aber Eigentum des Nachbarn.

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